Herr Schmiemann im Interview mit der WAZ

 

Olaf Schmiemann heißt der neue Rektor des Berufskollegs

 

Sein erstes Schulhalbjahr ist passé: Seit Februar leitet der Sprockhöveler Olaf Schmiemann das Berufskolleg Witten. 2900 junge Leute besuchen es.

Im Nebenzimmer hämmert die Sekretärin den Schulstempel auf die Zeugnisse. Auch am Berufskolleg herrscht am Ende des Schuljahres Hektik. Trotzdem nimmt sich Olaf Schiemann Zeit, zurück zu blicken: Seit einem Schulhalbjahr leitet der 44-Jährige Wittens größte Schule, mit 150 Kollegen für 2900 Schüler.

Unter ihrem Schreibtisch steht der „Materialienkoffer“ für den Unterricht. Brauchen Sie den noch?

Schiemann: Im Moment unterrichte ich nicht mehr. Aber ich musste mich hier auch erst einarbeiten und es ist wahrlich nicht so, dass mir langweilig ist.

Viele sagen: Berufsschullehrer wird man als Seiteneinsteiger. Kommen Sie auch von außerhalb?

Nein. Eigentlich wollte ich Maschinenbauingenieur werden. Aber dann habe ich in den Praktika festgestellt, dass das ein sehr einsamer Job ist. Ich brauche Menschen um mich herum. Darum habe ich Maschinenbau nicht auf Diplom, sondern auf Lehramt studiert und mein Referendariat beim Berufskolleg in Hagen gemacht. Danach war ich am Berufskolleg in Ennepetal und Schulleiter eines Kollegs in Düsseldorf.

Was hat Sie letztlich nach Witten verschlagen?

Zwei Dinge waren ausschlaggebend: Das Berufskolleg Witten ist eine Bündelschule, hier werden Schüler im technischen, kaufmännischen und sozial-gesundheitlichen Bereich unterrichtet. Es ist spannend, mit Schülern und Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenzuarbeiten. Und dann wohne ich ja in Sprockhövel und bin täglich gependelt. Eigentlich fand ich das Pendeln nicht so schlimm. Aber es kommt der Tag, da denkt man: Anderthalb Stunden pro Arbeitsweg sind zu viel. Und dann fängt man an, sich umzugucken – tja und nun bin ich hier.

An die Husemannstraße kommen einerseits Berufsschüler, also Auszubildende für ihre Theorie. Viele Schüler kommen aber auch täglich, um hier einen Abschluss zu machen. Dabei gilt doch ein Berufskolleg gern als Warteschleife.

Das glaube ich nicht. Klar gibt es auch Schüler, die kein wirkliches Interesse haben. Ich aber glaube, dass viele, die mit 15 Jahren von der Schule abgehen, einfach nicht wissen, was sie mal werden wollen. Immer mehr jungen Leuten fehlt die so genannte Ausbildungsreife. Auch ich wusste mit 15 nicht, welchen Beruf ich langfristig ausüben will. Darum halte ich das Berufskolleg für einen guten Weg, sich weiterzuqualifizieren.

Allein in dieser Woche verabschieden wir 63 Schüler, die an der Husemannstraße ihr Abitur gemacht haben. Wir bilden auch abends und am Wochenende zum Staatlich geprüften Betriebswirt weiter – das ist vergleichbar mit dem Bachelor-Abschluss an einer Universität. Die Berufsschüler sind für uns die Pflicht, die anderen Schüler die Kür. Das ist die Problematik: zu erkennen, wer hier nur sitzt und wer wirklich was machen will.

Im Wittener Berufskolleg werden auch etliche Flüchtlinge unterrichtet. Wie läuft das?

Im Februar 2015 haben wir die erste Internationale Förderklasse bekommen, inzwischen sind es vier Klassen mit je 19 Schülern. Mehr nehmen wir nicht auf. Die Klassen besuchen sehr unterschiedliche Schüler zwischen 16 und 18 Jahren, viele von ihnen sind hoch motiviert. Aber es gibt große Bildungsunterschiede – manche können lediglich unsere Schrift nicht schreiben, manche könne gar nicht schreiben, weil sie kaum eine Schule gesehen haben. Das Problem ist: Die Schüler werden nach Alter beschult, nicht nach Fähigkeiten.

Ihr Vorgänger Heinz Ziegler, der 23 Jahre auf ihrem Stuhl saß, sagte: Das größte Problem des Berufskollegs ist die Raumnot. Stimmt das?

Ich hoffe, dass die Pläne, die Heinz Ziegler noch angestoßen hat, umgesetzt werden und der Kreis (Anm.: der Schulträger) das Gebäude E um ein Stockwerk erhöht. Die Raumsituation ist sehr eng.

Und ist es ein noch größeres Problem, neue Mitarbeiter zu finden?

Jein. In diesem Sommer konnte ich sechs Lehrkräfte einstellen, davon zwei für den Bereich Elektrotechnik. Das ist wie ein Sechser im Lotto – solche Leute werden auch in der Industrie gut bezahlt, die wenigsten entscheiden sich für einen Lehrerjob.

Sie sind 44 Jahre alt. Wollen auch Sie bis zur Rente Schulleiter in Witten sein?

Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ich Schulleiter bleiben möchte. Einen anderen Beruf könnte ich mir nicht vorstellen.

Susanne Schild

(Quelle: http://www.derwesten.de/staedte/witten/olaf-schmiemann-heisst-der-neue-rektor-des-berufskollegs-id11980999.html; Veröffentlichung der WAZ vom 06.07.2016)

 

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Erstellt am: 7. Juli 2016 11:09 Uhr